Teilen, engagieren, gewinnen – Schlüßelkompetenz Gemeinsinn

Ein bisschen altbacken kommt es ja daher, das Wort Gemeinsinn. Ich gestehe, bis vor Kurzem habe ich ihm auch nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Aber dann schrieb eine Freundin unter einen Facebook Post „Vereinsleben rockt!“. Ihre kleine Tochter wollte zum Erstaunen ihrer Mutter zur Feuerwehr.

Vereine und soziales Engagement haben es seit einigen Jahrzehnten schwer. In einer Gesellschaft, die „Geiz ist geil“ und „Selbstverwirklichung“ hypt, klingen Fairness und soziale Verantwortung weniger sexy. Immer öfter werden sozial engagierte Menschen sogar mit Sprüchen wie: „Du bist einfach zu sozial!“ herabgewürdigt.

Aber ist es in Wirklichkeit nicht ganz anders? Stecken wir vielleicht deshalb in so vielen Krisen fest, weil es zu wenig Bereitschaft gibt, gemeinsam Aufgaben zu bewältigen? Ist Gemeinsinn am Ende die Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts?

Ich finde ja, es fängt schon im ganz Kleinen an. Früher war es absolut Usus, dass Nachbarn sich gegenseitig aushalfen. Das ging vom fehlenden Ei für den Kuchen bis zur Schlagbohrmaschine für die anstehende Reparatur. War der Nachbar gar gelernter Handwerker – Jackpot!

Hausbau ohne nachbarschaftliche Unterstützung – früher für viele undenkbar – wieviel optimaler könnte Werkezeug genutzt werden, wenn man es sich gegenseitig leiht.

In der Natur der Sache steckte nämlich ein stilles Versprechen: Hilfst du mir, dann helfe ich dir. Der Haken bei der Sache: Die „Gegenleistung“ konnte anstrengend sein, eigene Pläne kaputt machen oder das ausgeliehene Werkzeug kam nicht mehr funktionstüchtig zurück.

Mittlerweile kennen viele Menschen in Deutschland nicht einmal mehr den Namen ihrer Nachbarn. Zu groß ist das Hemmnis, jemand neues in sein Leben zu lassen. Wer weiß, was daraus erwachsen könnte! Am Ende erwartet mein Gegenüber noch etwas von mir. Lieber löst man Probleme selbst, wenn nötig mit Kaufkraft.

Absurdistan Deutschland – Teilen ist keine Option

Der wirtschaftliche Aufschwung der vergangenen Jahrzehnte machte dies möglich. Immer mehr Menschen konnten sich immer mehr leisten. Daraus entstanden ganze Dienstleistungssektoren und Produktserien – kein Keller ohne Heimwerkerausstattung. Unsere Strategie lautet derzeit, lieber ins Portmonee greifen, als eine Verpflichtung eingehen.

Wo das Geld für richtiges Profiwerkzeug fehlt, entwickeln Unternehmen spezielle Heimwerkerausstattungen zu günstigen Preisen. Was darunter leidet, ist die Qualität. Infolgedessen verstauben unzählige Geräte ungenutzt in deutschen Kellern oder landen nach kürzester Zeit auf dem Müll. Von Nachhaltigkeit kann keine Rede sein.

Trampolin reiht sich an Trampolin. Auch bei den Spielgeräten muss jeder sein Eigenes haben. Was für vielfältige Ideen könnte man mit etwas Absprache verwirklichen.😉

Was passiert, wenn wir uns dieser Strategien nicht mehr bedienen können, zeigte die Corona-Krise. Menschen waren auf Grund von Alter, Erkrankung oder Ausgangssperren in ihren Haushalten gefangen – Produkte plötzlich nicht mehr verfügbar.

Krisen zeigen, was wir wirklich brauchen – Engagement

Angst und Panik machten sich breit. Nicht wenige befürchteten gar, in den eigenen Wänden zu verhungern. Tatsächlich war es den staatlichen Institutionen allein nicht möglich, die Krise zu bewältigen. Heerscharen von ehrenamtlichen Helfern organisierten die Versorgung von hilfsbedürftigen Familienmitgliedern, Nachbarn, aber auch Fremden.

So schlimm die Krise war, sie öffnete vielen die Augen für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen. Letztlich haben wir nicht nur die Krise überstanden, wir haben dazu gewonnen. Zum Teil sind daraus dauerhafte Beziehungen entstanden. Viele haben gelernt, sich wieder gemeinschaftlich zu organisieren.

Eine andere Krise drohte vor einigen Jahren unseren umliegenden Streuobstwiesen. Streuobstwiesen haben eine lange Tradition und zählen zu den artenreichsten Lebensräumen in unseren Breitengraden. Dennoch drohten sie zu verschwinden. Die meist älteren Besitzer waren mit der Pflege überfordert, den Jüngeren fehlte das Wissen oder das Interesse.

1 – Ein gesunder Obstbaum in voller Blüte 2 – die Kooperation mit einem Schäfer hält kostengünstig und schonend das Gras kurz 3 – Schulung interessierter Bürger

Über den Landschaftspflegeverband Main-Kinzig-Kreis e.V. gelang es, interessierte Bürger zu gewinnen. Diese werden durch Fachkräfte geschult und können danach die Pflege der Streuobstwiesen übernehmen. Im Gegenzug dürfen die Pflegenden das Obst ernten und verarbeiten. Krise abgewendet!

Was wir alle durch etwas Gemeinsinn gewinnen können

Am 26. Februar diesen Jahres spendete die amerikanische Professorin Ruth Gottesman den Nachlass ihres Mannes ihrer ehemalige Universität. Mit der unfassbaren Summe von 1 Milliarde Dollar garantiert sie allen derzeitigen und zukünftigen Medizinstudenten ein kostenfreies Studium.

Wer weiß, dass Medizinstudenten in Amerika mit Schulden in Höhe von 200.000 Dollar starten müssen, kann sich vorstellen was das bedeutet. Erstmals können auch hochbegabte aber unterprivilegierte Menschen diesen Beruf zu ergreifen. Für das marode amerikanische Gesundheitssystem ein absoluter Gewinn.

1 – Ruth Gottesman, ehemalige Professorin des Albert Einstein College of Medicine in New York. 2 – Jubelnde Studenten nach der Erklärung von Ruht Gottesmann.

Im Feuerwehrverein meiner Freundin wurden zur Zeit des Beitritts ihrer Tochter dringend Stammzellenspender gesucht. Anlass war die Erkrankung des Brandmeister und Rettungssanitäter Marcel an Leukämie. Wie bei vielen anderen Betroffenen auch, war eine Stammzelltransplantation die letzte und einzige Heilungschance.

Dazu benötigen sie einen „genetischen Zwilling“, dessen Gewebemerkmale – auch HLA-Merkmale genannt zu Marcels passten. Die Aktion „Mund auf gegen Blutkrebs“ wurde von zahlreichen Medien unterstützt. Innerhalb kürzester Zeit gelang es 1.000 neue Spender zu mobilisieren. Auch für Marcel war der passende Spender dabei. Verrückt was Gemeinsinn alles bewirken kann.

Ein Mann hält den Testkit, bestehend aus einer Karte und Teststäbchen in der Hand

Möchtest auch du dich als möglicher Stammzellenspender registrieren lassen? Auf der Website der DKMS kannst du ein Testkit bestellen, und alle deine Fragen werden umfassend beantwortet.


Ein Gedanke zu “Teilen, engagieren, gewinnen – Schlüßelkompetenz Gemeinsinn

  1. Toll, du sprichst mir aus der Seele. So viele posiotive Beispiele. Denen sollen noch viele folgen. Danke für die wirklich guten Beiträge

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